"Reigenprozeß
made in Germany"

die alte Flakfestung im Herzen Berlins gäbe eine hervorragende Sommer-Bühne ab!

eine dramatische Collage aus dem wirklichen Leben

von

Frank Jankowski

Stand 3/2001

Vorweg

Ein Prozeß von deutscher Gründlichkeit; teilweise heiter in der Wirkung und vielleicht ernst in den Folgen. Als kulturhistorische Erscheinung notwendiger als die Aufführung des Reigens... Ach, sagte ich, es sei ein Prozeß von deutscher Gründlichkeit? - Es ist ein Prozeß des Danebenredens. Die Mark fällt, die Abrüstungskonferenz tagt, die Weltgeschichte besteht aus lauter Ereigniswirbeln, - hier wird tagelang an dem Reigenproblem vorbeigeredet. Aber der Mißgriff des Staatsanwalts ist ein paar verlorene Tage wert. Noch nie sah man die Feigenblattkämpen so hüllen- und hilflos. Es war ein geistiger Nackttanz der Ankläger...

Joseph Roth

Deutschland 1921. Dass sich im Juli ein Österreicher namens Adolf Hitler zum Chef der NSDAP aufgeschwungen hat, ist im November längst vergessen. Ein anderes Ereignis ist viel spektakulärer: Der Kampf um den Reigen. Dem Ensemble des Kleinen Schauspielhauses wird vorgeworfen, mit der Aufführung des Schnitzlerschen Reigens öffentliches Ärgernis erregt zu haben. Hauptverteidiger ist niemand Geringeres als der ehemalige Reichsinnenminister Wolfgang Heine.

Im Vordergrund dieses fünftägigen Berliner Prozesses, in dem über 70 Zeugen auf den Plan gerufen werden, steht allerdings weder die Reigen-Inszenierung noch der Sittenverfall. Alfred Kerr, einer der vielen prominenten Sachverständigen sprach vom "Kampf zweier Weltanschauungen". Hier wird bereits der Genozid angedroht - und nicht ernst genommen.

Die Berechtigung des vorliegenden Stücks liegt in seiner Authentizität: So wurde damals - was für den Zusammenhalt der drei Akte wichtig ist - tatsächlich eine gerichtliche "Separatvorstellung" gegeben, da kaum einer der Zeugen das Corpus delicti je gesehen hatte.

Meine modernisierte Bearbeitung der Szenen des „Reigens“ selbst betrifft lediglich Sprache und Milieu der Figuren, während die Reduzierung auf acht (gestraffte) Szenen aus Rücksicht vor dem Sitzfleisch des heutigen Publikums erfolgte. Die Dramaturgie der Schnitzlerschen zehn Dialoge wurde jedoch bis ins kleinste Detail genau so belassen, wie sie war.


Hauptfiguren

Prof. Brunner (Gutachter der Anklage) großer knochiger Mann mit gelbem Schädel und schwärzlichem Schnurrbart, der seine Augen hinter einem dunklem Glas verbirgt und unter dessen Rektoratsrock ein paar massive Polizeistiefel hervorschauen; Faschist, hysterisch; redet scharf-stakkatohaft, rollt das 'r' (Relikt mühsam abtrainierter bayerischer Mundart), leidet unter nervösen Kopfzuckungen

Prof. Wiesenmäher (Gutachter der Verteidigung) ironisch, hochgebildet; berlinert gelegentlich zum Spaß

Dr. Ehrenstein (Verteidiger) schlau, feinsinnig, beredt, gebildet; leicht überheblich

Dr. Brennhausen (Richter) alter Fuchs - 'cool'

Dr. von Bradtke (Staatsanwalt) Karrierist auf verlorenem Posten

Dr. Schleicher (Radioreporter) arroganter Feuilletonist; Stutzer mit Schnauzbart; Nationalsozialist

Gertrud Eysoldt (Intendantin des Kleinen Schauspielhauses) offenherzig, sinnlich

 

 

Figuren des "Reigens"

(mit denselben Akteuren besetzen!)

Natascha: freischaffende Prostituierte, 30-35J.
Lutz: Polizist, ca. 25J.; durchtrainierter Macho
Karin: Sekretärin, ca. 25J.; dümmlich, berlinert stark
Bernhard: junger Herr, ca. 30J.; intellektueller Halb-Yuppie
Junge Dame: ca. 27J.; Tochter wohlhabender Großbürger
Thomas: ihr Ehemann, ca. 40J.; Workaholic
Katja: Stewardess, ca. 30J.; ungebunden, selbstbewußt
Abgeordneter: Anfang 50; witziger 68er-Veteran


Ggf. Ausschnitte aus Prozessen des Fischer Verlags gegen andere Reigen-Adaptionen einbauen!!

 

Textauszüge