2. Akt

(drei Wochen später)

Ein heller Frühlingsmorgen in den Bergen; wolkenloser Himmel; die ganze Szene vom Sonnenlicht überflutet. Rechts in der Tiefe eine Ecke des Observatoriumsgebäudes mit dem emporfliehenden Turm; in der Mitte der Hof, über den kleine asphaltierte Wege führen - wie bei Klöstern; die Ebene des Hofes senkt sich zum Hintergrund hin, wo sich eine niedrige Steinmauer mit einem Tor befindet. Dahinter erstreckt sich eine Bergkette, die jedoch nicht höher gelegen ist als der Berg des Observatoriums. Links, näher an der Vorderbühne, eine Ecke des Hauses mit der steinernen Veranda über einem Abhang. Jegliche Vegetation fehlt. Seit dem ersten Akt sind drei Wochen vergangen. Verchovtzev sitzt im Rollstuhl: er wird von Anna hin und her geschoben. Zhitov sitzt an der Wand und sonnt sich. Alle sind dem Frühjahr entsprechend gekleidet - außer Zhitov, der lediglich ein Jackett trägt.

ZHITOV: Anna, wenn ich Sie mal ablösen soll..?

 

ANNA: Nein, bleiben Sie nur sitzen, ich will niemandem zur Last fallen. (zu Verchovtzev) Valja, geht's Dir gut?

 

VERCHOVTZEV: Ja, ausgezeichnet - aber ich frage mich die ganze Zeit, wieso Du mich ständig hin und her schiebst; ich bin doch keine Raubkatze - das ist doch kein Zoo hier. Schieb mich mal zu Zhitov, ich möchte auch ein bißchen Sonnenenergie tanken. (sie tut es) Ja, hier ist es angenehm!

 

ANNA: Vassilij Vassilitsch, müßten Sie nicht eigentlich arbeiten?

 

ZHITOV: Bei dem Wetter? Ich kann doch unmöglich drinnen sitzen, wenn draußen gerade der Frühling ausbricht. Ich sonne mich ein bißchen und dann...

 

VERCHOVTZEV: Sind Sie türkischer Abstammung, Zhitov?

 

ZHITOV: Wie kommen Sie denn darauf?

 

VERCHOVTZEV: Es paßt zu Ihnen: einfach in der Sonne braten und nichtstun. Fehlt nur noch die Gebetskette...

 

ZHITOV: Nein, ich bin kein Türke.

 

VERCHOVTZEV: Schon gut, ich bin ganz Ihrer Meinung: Sehr angenehm, in der Sonne zu sitzen. Tut mir nur um Kolja leid - ihm ist dieses Vergnügen leider vergönnt. Ich kenne diesen Sternberger Knast: Da sieht man nicht mal ein winziges Fleckchen vom Himmel, geschweige denn die Sonne - kalt und naß wie in einer Tropfsteinhöhle. Mich haben sie da auch mal eingelocht - nur einen Monat, aber ich hatte schon nach einer Woche Hämorrhoiden. Unmenschlich!

 

ANNA: Wenigstens lebt er noch. Ich war mir sicher, dass sie ihn erschießen würden.

 

VERCHOVTZEV: Abwarten! Die Sache ist noch längst nicht ausgestanden. Wir sollten langsam mal Marusja wecken - bin gespannt, was für Neuigkeiten sie hat.

 

ZHITOV: Die lassen Sie besser schlafen - sie ist ja erst heute früh ins Bett gekommen.

 

VERCHOVTZEV: Das ist mir keineswegs entgangen, sie hat ja mit ihrem Gesang das ganze Haus aufgeweckt. Frage mich nur, wie man hier singen kann - in diesem Mausoleum. Ich dachte schon, es wäre Pollak, der einen neuen Stern entdeckt hat.

 

ZHITOV: Immerhin: Wenn sie singt, scheint alles in Ordnung zu sein.

 

ANNA: Also ich verstehe das nicht: Wie kann man singen, wenn alle schlafen?

 

INNA: (erscheint auf der Veranda) Weiß einer von Euch, wo Luntz steckt?

 

ANNA: Nein.

 

INNA: Das gibt es doch nicht! Mein Mann will ihn sprechen - was soll ich ihm denn jetzt sagen? Alle sind ausgeflogen; der einzige, der arbeitet ist Pollak... Wie Marusetschka heut’ Nacht gesungen hat! Ich habe vor Freude kein Auge mehr zugemacht...

 

VERCHOVTZEV: Na, Schwiegermütterchen, dann weck sie doch gleich mal auf.

 

INNA: Aber ich denk ja nicht dran - die soll sich erstmal richtig ausschlafen, meinetwegen bis morgen früh.

 

VERCHOVTZEV: Na dann wenigstens diesen Schmidt.

 

INNA: Ich soll einen Menschen aus seinem wohlverdienten Schlaf reißen, der mir solch eine Freude bereitet hat?! Nein, auch Herrn Schmidt werde ich nicht wecken. Seid so gut und sagt Luntz bescheid, wenn er zurückkommt. (geht bis zur Tür und bleibt stehen) Herrlich, die Sonne! Wie bei uns in Rußland... (geht ab)

 

Pause.

 

ANNA: Vassilij Vassilitsch, was denken Sie, wenn Sie so gucken?

 

ZHITOV: Wozu denken? Ich gucke einfach.

 

VERCHOVTZEV: Sie lügen! Man kann nicht nichts denken - zumindest erinnert man sich an etwas.

 

ZHITOV: Ich erinnere mich nie an etwas.

 

VERCHOVTZEV: Dann sind Sie ja ein Genie!

 

Pause.

 

ZHITOV: Möchte nur wissen, wo Luntz abgeblieben ist.

 

ANNA: Gestern Abend ist er noch zusammen mit Treitsch in die Berge gegangen.

 

VERCHOVTZEV: Sicher auf einen Erkundungszug.

 

ZHITOV: Erkundungszug?

 

VERCHOVTZEV: Treitsch ist doch ständig damit beschäftigt, irgendetwas zu erkunden. Er hat bestimmt auch schon längst Ihren Urania-Tempel erkundet und herausgefunden, dass er sich hervorragend als Waffendepot eignet. Und jetzt erkundet er die Berge, um einen geeigneten Standort für die dazugehörige Fabrik zu finden.

 

ANNA: Treitsch ist ein Phantast.

 

VERCHOVTZEV: Aber nicht nur. Seine Phantasien - so verrückt sie auch scheinen mögen - sind manchmal gar nicht so abwegig. Ein interessanter Bursche. Redet wenig und betreibt dabei die wirksamste Propaganda, die man sich vorstellen kann. Der würde selbst Krösus vom Kommunismus überzeugen. Wo Nikolaj den wohl aufgetrieben hat.

 

PETJA: (tritt auf, griesgrämig) Tag allerseits.

 

VERCHOVTZEV: Na, Küken - welche Laus ist Dir denn über die Leber gelaufen?

 

PETJA: Gar keine.

 

ANNA: Meine Güte, hast Du Essig getrunken? Du siehst ja fürchterlich aus!

 

PETJA: Dann guck weg.

 

ZHITOV: Hast Du nicht Lust, mit nach Australien zu kommen?

 

PETJA: Wozu?

 

ANNA: Wozu, wozu?! Wie ein kleines Kind! Gestern fragt man ihn, ob er mit in die Berge will - und er: Wozu? Wozu trinkst Du, wozu ißt Du?..

 

PETJA: Ist mir doch egal - laß mich gefälligst in Frieden!

 

VERCHOVTZEV: Das ist aber nicht gerade die feine englische Art, mein Freund. Ach, da sind ja die Abtrünnigen! (Es erscheinen Treitsch und Luntz, die mit Dreck bespritzt sind) Luntz, der Sternenzähler sucht Sie schon überall. An Ihrer Stelle würde ich jetzt meine Beine in die Hand nehmen.

 

LUNTZ: Ach, der soll mi... Tschuldigung, Anna Sergeevna. War nicht so gemeint.

 

ANNA: Und wenn... ich petze schon nicht. Wir praktizieren hier keine Affenliebe.

 

PETJA: (angewidert) Wie peinlich!

 

VERCHOVTZEV: Haben Sie schon gehört, dass Marusja gestern Nacht heimgekehrt ist?

 

TREITSCH: (unwillkürlich ein Schritt auf ihn zugehend) Und?! Was ist mit Kolja?

 

VERCHOVTZEV: Erst haben sie ihn erschossen, dann gerädert und schließlich gekreuzigt.

 

ANNA: Quatsch - er lebt - ja, er ist am Leben!

 

Hinter dem Fenster erklingt Musik und der Gesang Marusjas.

 

MARUSJA: "Sitz' hier hinter Gittern im feuchten Kerker - ein Adlerjunges, geboren in Freiheit..."

 

TREITSCH: Ist er im Gefängnis? Hat man ihn...

 

MARUSJA: "Mein trauriger Freund, schlägt mit den Flügeln, hackt nach dem blutigen Fleisch unter dem Fenster..."

 

VERCHOVTZEV: "Hackt danach, läßt es und schaut aus dem Fenster, als könnt' er mit mir sein - Ruft mich mit seinen Blicken und Schreien - um mir zu sagen: komm, fliegen wir fort".

 

MARUSJA: (betritt die Szene, singt leidenschaftlich) "Wir sind frei wie die Vögel! Wohl an, mein Bruder, es ist Zeit zu geh'n - dorthin, wo hinter den Regenwolken weiß schimmert der Berg, - dorthin, wo blau schimmert das Reich des Meeres, - dorthin, wo lustwandelt der Wind nur und ich!"

 

TREITSCH: Marusja!

 

ANNA: Etwas unangebracht, dieses Kammerkonzert!

 

INNA: (kommt von hinten, sich die Augen wischend) Ihr wilden Adler Ihr...

 

VERCHOVTZEV: Wenn Du das sagst, Schwiegermütterchen, klingt es wie: Ihr wilden Hühnchen...

 

INNA: Ihr seid ja auch ein paar wilde Hühnchen. Guck Dich an, Du siehst völlig zerrupft aus... man sollte Dich in den Kochtopf stecken.

 

MARUSJA: Guten Tag Anna! (zu Treitsch) Die herzlichsten Grüße von Nikolaj - er läßt Sie umarmen!

 

TREITSCH: (verdeckt mit der Hand schnell seine Augen und nimmt sie sogleich wieder herunter) Danke, ich bin so froh, dass...!

 

MARUSJA: Und die anderen natürlich auch. Sogar Dich, alter Invalide.

 

VERCHOVTZEV: Du hast ihn also gesehen?.. Erzähl!

 

MARUSJA: Ja, los komm, fliegen wir fort!

 

LUNTZ: Das ist nicht mehr komisch! Alle wollen wissen, was los ist, und Sie... (Schmidt tritt auf)

 

MARUSJA: Ja, ich habe ihn gesehen! (zu Schmidt) Ach, da sind Sie ja! Darf ich Euch Herrn... Darf ich Euch den Genossen Schmidt vorstellen. Ein ganz erstaunlicher Mann. Noch ist er Bankangestellter - aber schon bald wird er der Revolution einen unermeßlichen Dienst erweisen. Der geborene Spion! Er hat mir sehr geholfen... Dann machen Sie mal Ihren Diener, Genosse Schmidt.

 

SCHMIDT: Sehr erfreut. Guten Tag.

 

MARUSJA: Petja, mein Schatz, was machst Du denn für ein Gesicht?

 

VERCHOVTZEV: Also wirklich, Marusja - es ist - gelinde ausgedrückt - eine Schweinerei, uns so lange auf die Folter zu spannen!

 

MARUSJA: Immer mit der Ruhe, mein Krüppelchen... Wer wird sich denn aufregen, an einem Tag wie heute?! Also gut: Er ist im Sternberger Gefängnis...

 

STIMMEN: Das wissen wir/Ja, und weiter...

 

MARUSJA: Sachte, sachte... Sie wollten ihn erschießen...

 

INNA: Kolja?!

 

MARUSJA: Keine Angst, Mamotschka, dazu wird es nicht kommen. Denn ich bin jetzt Gräfin Moritz - und wahnsinnig adlig! Nur, dass meine Besitztümer weit dahinten irgendwo verstreut sind. (fährt mit dem Arm durch die Luft) Sie sind zwar grausam, aber auch unsäglich verblödet.

 

VERCHOVTZEV: Ja, so ist das.

 

Ternovskij tritt auf. Er trägt einen abgenutzten Mantel und eine kleine Pelzschapka. Man begrüßt ihn ehrerbietig aber kühl.

 

INNA: Sergej, hör Dir das an - Marusja erzählt gerade von Kolja. Sie wollten ihn erschießen!

 

MARUSJA: Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe ihnen solange gedroht, sie angefleht und mich auf die öffentliche Meinung Europas und auf die wissenschaftliche Autorität seines Vaters berufen... Die Exekution wurde aufgeschoben. Ich durfte ihn sogar im Gefängnis besuchen...

 

VERCHOVTZEV: Und, wie geht's ihm?

 

MARUSJA: (betrübt stirnrunzelnd) Er ist ein bißchen... depressiv - aber sowas gibt sich.

 

INNA: Und seine Verwundung?

 

MARUSJA: Halb so schlimm. Aber seine Zelle - ein Kellerloch, eine Höhle, ein Sumpf - ich weiß nicht, wie ich das nennen soll.

 

VERCHOVTZEV: Das kann man wohl sagen, ich war da nämlich auch mal drin.

 

MARUSJA: Jedenfalls sendet er Ihnen, Sergej Nikolajitsch, einen kräftigen Händedruck und wünscht Ihnen viel Erfolg, bei Ihrer Arbeit - er hofft, Sie kommen gut voran...

 

ANNA: Wie kann man in seiner Lage solche Banalitäten...?

 

TERNOVSKIJ: Was für ein lieber Junge - ich bin ihm sehr dankbar.

 

ANNA: Wie großherzig!

 

LUNTZ: Aber wie ist es Ihnen denn selbst ergangen? Wieso hat man Sie nicht verhaftet?

 

MARUSJA: Ich wurde verhaftet - am selben Tag. Aber ich habe so inbrünstig geflennt und geschluchzt und ihnen so lange etwas von meiner todkranken Oma vorgeheult, dass sie mich schließlich wieder frei ließen. Allerdings hat mich einer mit seinem Gewehrkolben geschlagen...

 

LUNTZ: Diese feigen Schweine!

 

MARUSJA: Und dabei hatte ich unter meiner Rock unser Banner versteckt!

 

VERCHOVTZEV: Hat es überlebt? Zeig doch mal her.

 

MARUSJA: Nein.

 

VERCHOVTZEV: Verdammt, was soll das? Du wirst uns doch unsere Fahne nicht vorenthalten - unser Banner?!

 

MARUSJA: Ich werde sie frühestens dann hervorholen, wenn wir wieder in die Schlacht ziehen. (zu Treitsch) Sie wissen, wer uns verraten hat, oder?

 

TREITSCH: Ja.

 

SCHMIDT: Verräter müssen mit dem Tode bestraft werden.

 

Marusja lacht. Treitsch lächelt.

 

VERCHOVTZEV: Igitt, Herr Schmidt, Sie sind ja geradezu blutrünstig!

 

SCHMIDT: Es gibt doch jetzt diesen elektrischen Stuhl - damit geht es auch ohne Blut.

 

INNA: Aber was wird denn nun aus Kolja?

 

MARUSJA: Nikolaj? Paßt auf: Er wird... Ist hier auch niemand, der..? Irgendein Hausangestellter..? Gut: wir werden ihn befreien.

 

TREITSCH: Ich mache mit.

 

MARUSJA: Nein. Kolja will, dass Sie hierbleiben - es ist zu gefährlich, man sucht Sie überall.

 

TREITSCH: Das ist mir egal.

 

MARUSJA: Aber es ist gar nicht notwendig. Ich habe nämlich schon alles vorbereitet. Das einzige, was wir brauchen ist Geld - und zwar viel Geld. Ein Gefängniswärter und ein Soldat werden ihn auf der Flucht begleiten. Ich muß heute noch los - wir haben keine Minute zu verlieren.

 

VERCHOVTZEV: Du hast Schneid, meine Liebe!

 

MARUSJA: Danke für das Kompliment, mein Lieber - Du machst mich glücklich!

 

INNA: (schaut ihren Mann an) Geld..!?

 

TERNOVSKIJ: (schaut seine Frau an) Wieviel haben wir denn?

 

INNA: Nur die dreitausend, die wir für...

 

MARUSJA: Wir brauchen fünf.

 

ZHITOV: (verlegen) Wir können ja zusammenlegen. Ich habe zweihundert Rubel.

 

LUNTZ: Pollak hat Geld - viel Geld - er ist stinkreich.

 

ANNA: Ausgerechnet dieser Spießer - wie unangenehm, den um Geld zu bitten!

 

VERCHOVTZEV: Blödsinn! Fette Kühe muß man melken! Petja, geh mal rein zu Pollak und sag ihm, er soll herkommen... Aber sag, es sei wichtig, sonst kommt er nie.

 

MARUSJA: Gut, das hätten wir geklärt. (singt) "Ruft mich mit seinen Blicken und Schreien - um mir zu sagen: komm, fliegen wir fort!" Treitsch, ich muß Sie nochmal sprechen. Was haben Sie denn gemacht? - Sie sind ja ganz dreckig!

 

beide ab

 

LUNTZ: Was für eine Frau! Sie ist wie die Sonne! Ein wild loderndes Feuer! Eine wahrhaftige Judith!

 

ANNA: Das kann man wohl sagen! Aber die Revolution braucht keine wild lodernden Judiths, sondern geduldige, ausdauernde und kontrollierte Jeanne d'Arcs.

 

LUNTZ: Die Revolution braucht Genies!

 

ANNA: Genies? Ich glaube, dieser Begriff ist viel zu abgenutzt - Genie! Kann einer ein bißchen auf dem Seil herumhampeln, ist er gleich ein Genie! Und glotzt einer sein ganzes Leben lang die Sterne an...

 

VERCHOVTZEV: A propos, verehrter Sternenzähler: Wie sieht's denn so aus bei Ihnen, da oben im Himmel?

 

TERNOVSKIJ: Gut, und bei Ihnen auf der Erde?

 

VERCHOVTZEV: Ziemlich elend, wie Sie sehen. Auf der Erde ist es immer elend, verehrter Sternenzähler; es gibt immer irgendeinen, der irgendjemanden unterdrückt; einer heult immer und einer wird immer von irgendwem reingelegt... meine Beine schmerzen. Ja, für uns ist es noch weit bis zu der Harmonie himmlischer Sphären.

 

TERNOVSKIJ: Auch dort herrscht nicht immer Harmonie. Auch dort gibt es Katastrophen.

 

VERCHOVTZEV: Sehr bedauerlich... das heißt, es wäre selbst im Himmel vergeblich, zu hoffen!? Und was brüten Sie gerade aus, Herr... Herr... Schmidt?

 

SCHMIDT: Ich denke gerade, dass jeder Mann stark sein muß.

 

VERCHOVTZEV: Oh! Und, sind Sie ein starker Mann?

 

SCHMIDT: Leider nein. Die Natur hat mir gewisse Eigenschaften vorenthalten, die für Stärke unentbehrlich sind. Ich kann zum Beispiel kein Blut sehen; außerdem habe ich Angst vor...

 

VERCHOVTZEV: Spinnen? A propos "Spinnen": Kaufen Sie Ihre Garderobe von der Stange oder lassen Sie maßschneidern?

 

POLLAK: (kommt an) Womit kann ich dienen? Guten Tag die Herren!

 

VERCHOVTZEV: Die Sache ist die, Pollak: wir brauchen zweitausend Piepen!... Ich sage absichtlich nicht, dass wir sie leihen wollen, weil sie Ihnen kaum jemand zurückzahlen wird, aber...

 

POLLAK: Und zu welchem Zweck, wenn die Frage gestattet ist?

 

VERCHOVTZEV: Um die Flucht von Nikolaj Sergejitsch zu finanzieren. Sind sie dazu bereit?

 

POLLAK: Mit Vergnügen.

 

VERCHOVTZEV: Er...

 

POLLAK: Nein, nein, bitte keine Details. (zu Ternovskij) Verehrter Herr Professor, könnte ich heute wohl den Refraktor benutzen?

 

TERNOVSKIJ: Bitte sehr, für mich ist heute ein Feiertag.

 

Pollak geht ab, indem er sich verbeugt

 

VERCHOVTZEV: Ein echter Wissenschaftler. Ist er gut, Sergej Nikolajitsch?

 

TERNOVSKIJ: Er ist sehr kompetent.

 

ANNA: (einfach so) Wozu gibt es eigentlich die Astronomie?

 

VERCHOVTZEV: Eigentlich für die Kalender.

 

Marusja und Treitsch sind eingetreten

 

MARUSJA: Sie erledigen das also, Treitsch... Na, müssen Sie sich schon wieder verteidigen, Sergej Nikolajitsch? Anna bekämpft ja die Astronomie, als wäre sie ihr persönlicher Feind.

 

TERNOVSKIJ: Ich habe mich bereits damit abgefunden, Marusja.

 

ANNA: Ich habe keine persönlichen Feinde, das wißt Ihr sehr gut. Und die Astronomie mag ich nur deshalb nicht, weil ich nicht begreife, wie man die ganze Zeit in den Himmel glotzen kann, während auf der Erde alles zugrunde geht.

 

ZHITOV: Die Astronomie ist der Triumph des Verstandes.

 

ANNA: Meiner Meinung nach darf der Verstand erst dann triumphieren, wenn auf der Erde niemand mehr hungert.

 

MARUSJA: Herrlich, diese Berge! Diese Sonne! Wie könnt Ihr Euch bei diesem Wetter nur streiten?!

 

LUNTZ: Das klingt, als wären Sie gegen die Wissenschaft, Anna Sergejevna!

 

ANNA: Nicht gegen die Wissenschaft, sondern gegen die Gelehrten, die ihre Wissenschaft als Ausrede benutzen, um sich ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung zu entziehen.

 

SCHMIDT: Verpflichtung ist Sklaverei - der Mensch soll sagen: Ich will!

 

INNA: Ich mag diese Art von Unterhaltung nicht - das gibt immer nur böses Blut. (indem sie Zhitov etwas abseits in den Schatten führt) Vassilij Vassilitsch, Sie holen sich einen Sonnenbrand, kommen Sie! Wissen Sie, ich glaube es ist besser, wenn Sie Ihr Geld behalten - es reicht auch so. Pollak war sehr umsichtig... (lacht) Er ist ja auch ein wandelndes Planetarium.

 

ZHITOV: Was wird denn nun aus Ihrer Kanada-Exkursion? Sie haben ja jetzt kein Geld mehr.

 

INNA: Ach, das ist noch ein Jahr hin - bis dahin werde ich schon welches auftreiben, darin bin ich gut! Aber hören Sie, Vassilij Vassilitsch, ich möchte Sie um einen kleinen Freundschaftsdienst bitten: Sie werden gleich wieder über meinen Sergej herfallen... Vielleicht könnten Sie sich für ihn einsetzen - denn er kann sich doch nicht wehren.

 

ZHITOV: Sicher.

 

INNA: Gut - ich muß jetzt nämlich noch ein paar Sachen für Koljuschka zusammenpacken... (geht ab)

 

TERNOVSKIJ: (fährt fort) ...Keineswegs, ich schätze gute Unterhaltungen sehr. Ich sehe in allen Beiträgen kleine Lichtfunken - sehr ästhetisch, wie eine Milchstraße. Schade nur, dass sich die Leute zum größten Teil über Lappalien unterhalten.

 

ANNA: Und mit schönen Worten schaffen sich die anderen Leute lediglich ihre Verpflichtungen vom Hals.

 

VERCHOVTZEV: Sie haben ja wirklich die Ruhe weg, Sergej Nikolajitsch, Sie sind wahrscheinlich gar nicht fähig, sich beleidigt zu fühlen, oder? - Ist es Ihnen eigentlich schonmal passiert, dass Sie weinen mußten? Ich denke da natürlich nicht an jenes glückliche Alter, da Sie Ihre Schließmuskulatur noch nicht unter Kontrolle hatten, sondern heutzutage, als Erwachsener...

 

TERNOVSKIJ: Aber ja, ich bin sogar ein ausgesprochen weinerlicher Mensch.

 

VERCHOVTZEV: Was Sie nicht sagen!

 

TERNOVSKIJ: Als ich den Kometen Biela entdeckte, den Halley vorausgesagt hatte - da habe ich geweint.

 

VERCHOVTZEV: Ein stichhaltiger Grund, in der Tat - wenn er mir auch nicht einleuchtet. Und Sie meine Herren, verstehen Sie das?

 

LUNTZ: Aber sicher, Halley hätte sich ja irren können.

 

VERCHOVTZEV: Und deshalb muß man vor lauter Freude gleich losflennen?

 

MARUSJA: Sie übertreiben, Valentin.

 

ANNA: Und als man seinen eigenen Sohn erschießen wollte, hat er nicht mal die Nase gerümpft!..

 

TERNOVSKIJ: Auf der Welt stirbt jede Sekunde ein Mensch - und jede Sekunde wird irgendwo im Universum eine ganze Welt ausgelöscht. Wie kann ich da wegen des Todes eines einzigen Menschen in Tränen und Verzweiflung ausbrechen?

 

VERCHOVTZEV: Na, Schmidt - das ist ein starker Mann, was!? Ein wahres Prachtexemplar! (zu Ternovskij) Das heißt also, wenn Nikolaj Pech hat und sie ihn...

 

TERNOVSKIJ: Selbstverständlich wäre das sehr traurig, dennoch...

 

MARUSJA: Machen Sie keine Scherze, Sergej Nikolajevitsch. Solche Scherze machen mich krank.

 

TERNOVSKIJ: Aber meine Liebe - ich scherze durchaus nicht. Offengestanden hatte ich nie die Fähigkeit zu scherzen, obwohl ich diese Fähigkeit sehr zu schätzen weiß - zum Beispiel bei Valentin.

 

VERCHOVTZEV: Untertänigsten Dank!

 

ZHITOV: Das ist wahr, Sergej Nikolajitsch scherzt nie.

 

MARUSJA: (betrübt stirnrunzelnd) Um so schlimmer.

 

VERCHOVTZEV: Ich nenne das: die Ohren mit astronomischer Watte zustopfen! Sehr behaglich. Soll doch die ganze Welt aufheulen, wie ein Hund...

 

LUNTZ: Als der junge Buddha eine hungrige Tigerin sah, gab er sich ihr hin. Er sagte nicht: Ich bin Gott, ich bin mit wichtigen Angelegenheiten beschäftigt, und Du bist nur ein hungriges Tier, nein, er gab sich ihr einfach hin, tja!

 

ANNA: So ein Blödsinn! Was sollen das für Götter sein, die die Menschen quälen, soviel es ihnen beliebt, und sich selbst dann...

 

TERNOVSKIJ: Sehen Sie die Inschrift hier? (indem er auf den Giebel des Observatoriums zeigt) "Haec domus Uraniae est. Curae procul este profanae. Temnitur hic humilis tellus. Hinc ITUR AD ASTRA." Das bedeutet: Dies ist der Tempel der Urania. Fort mit den eitlen Sorgen. Verschmäht wird hier das niedere Irdische - von hier geht es hinauf zu den Sternen.

 

VERCHOVTZEV: Schön und gut, aber was verstehen Sie unter eitlen Sorgen, verehrter Sternenzähler? Hier, meine Beine sind bis auf die Knochen von einem Granatsplitter zerschlagen... Zählt das Ihrer Meinung nach zu den eitlen Sorgen?

 

ANNA: Na klar.

 

TERNOVSKIJ: Tod, Ungerechtigkeit, Unglück und alle schwarzen Schatten der Erde - das sind die eitlen Sorgen.

 

VERCHOVTZEV: Das heißt also, wenn morgen ein neuer Napoleon, ein neuer Despot aufkreuzt, der die ganze Welt in seiner eisernen Faust zerquetscht, dann ist das bloß eine eitle Sorge?

 

TERNOVSKIJ: Ja... Das ist meine Überzeugung.

 

VERCHOVTZEV: (mustert alle Anwesenden eindringlich und stimmt ein rauhes Lachen an) Na wenn Sie meinen!

 

MARUSJA: Treitsch, warum widersprechen Sie denn nicht?!

 

TREITSCH: Ich höre zu.

 

VERCHOVTZEV: So kann aber auch nur jemand reden, der von der Regierung besoldet wird und wohl behütet in seinem warmen Stübchen hockt.

 

TERNOVSKIJ: (leicht errötend) Wohl behütet, Valentin? Wie man's nimmt. Gallilei zum Beispiel ist in einem Verlies gestorben, und Giordano Bruno endete auf dem Scheiterhaufen. Der Weg zu den Sternen war immer schon mit Blut beschmiert.

 

VERCHOVTZEV: Sachen gibt's... Die Christen wurden ja selbst verfolgt! Was hätte sie davon abhalten sollen, ihrerseits nun wieder harmlose Astronomen zu fritieren?

 

ANNA: Mein Vater hat sogar seine eigenen Reliquien, er bewahrt sie in seinem Safe auf.

 

TERNOVSKIJ: Anna, was soll das?

 

VERCHOVTZEV: Was ist das denn wieder für'n seltsamer Tick?

 

ANNA: Ein Ziegelstein aus den Trümmern irgendeines eingestürzten Observatoriums - und dann noch Fetzen einer echt antiken Handschrift.

 

MARUSJA: Anna, das gehört sich nicht! Kolja würde sich bestimmt nicht erlauben, so zu reden...

 

ANNA: Nikolaj ist viel zu zart besaitet. Das ist sein Fehler.

 

Petja betritt unbemerkt den Hof und betrachtet im Hintergrund schweigend die Szene.

 

VERCHOVTZEV: (genervt) Deshalb werden wir ja auch ständig geschlagen...

 

MARUSJA: Bitte, bitte!.. was soll denn das hier werden? Treitsch, was ist los mit Ihnen, nun sagen Sie doch auch mal was!..

 

TREITSCH: (verhalten) Man muß vorwärts gehen. Sie sprechen immer von Niederlagen, aber es gibt überhaupt keine Niederlagen. Es gibt nur den Sieg. Die Erde ist Wachs in den Händen des Menschen. Man muß es pressen und kneten - muß neue Formen entstehen lassen... Aber dabei muß man vorwärts gehen. Kommt eine Mauer - reiß sie nieder. Kommt ein Berg - trag ihn ab. Kommt ein Abgrund - flieg darüber hinweg. Und wenn du keine Flügel hast, dann mach dir welche!

 

VERCHOVTZEV: Bravo! Ein genialer Beitrag!

 

MARUSJA: Ich kann meine Flügel schon spüren!

 

TREITSCH: (verhalten) Vorwärtsgehen ist das Wichtigste. Und wenn die Erde unter den Füßen wegrutscht, dann muß man sie eben befestigen - mit Stahl. Und wenn sie anfängt, in ihre Einzelteile zu zerfallen, dann muß man sie verschmelzen - mit Feuer. Und wenn der Himmel über deinem Kopf zusammenstürzt, dann streck deine Arme aus und stoß ihn zurück - so! (stößt ihn zurück)

 

VERCHOVTZEV: (Pfeift anerkennend) Seht Ihr, so einfach ist das!

 

Einige ahmen unwillkürlich die Pose von Treitsch als Atlas nach.

 

TREITSCH: Aber solange die Sonne noch scheint, muß man vorwärts gehen.

 

LUNTZ: Aber Treitsch, sie erlischt ja bereits!

 

TREITSCH: Dann muß man eben eine neue anzünden.

 

VERCHOVTZEV: Dann sollten Sie langsam mal anfangen, ein großes Feuerzeug zu bauen!

 

TREITSCH: Doch solange sie brennt, muß man vorwärts gehen - immer und ewig. Genossen, die Sonne ist doch auch ein Arbeiter!

 

VERCHOVTZEV: Das nenne ich angewandte Astronomie! Alle Achtung!

 

LUNTZ: Vorwärts, immer und ewig!

 

VERCHOVTZEV: Vorwärts! Wohin denn, verdammt nochmal?!

 

Alle schließen sich erregt in Grüppchen zusammen und schweigen.

 

MARUSJA: (schreit mit hell tönender Stimme) Ich schwöre es euch, ihr Berge! Ich schwöre es dir, du Sonne! Ich befreie Nikolaj!.. Gibt es hier kein Echo?

 

LUNTZ: Nein, aber wenn es eins gäbe, würde es "ja" rufen - wie im Märchen.

 

ANNA: (zu Zhitov) Jetzt wird er auch noch sentimental!..

 

MARUSJA: (zum Himmel aufblickend) Ich möchte fliegen, fliegen!

 

VERCHOVTZEV: Das ist wahre Astronomie! Na, Sternenzähler, wie gefallen Ihnen diese Astronomen?

 

TERNOVSKIJ: Gut. Ja, durchaus. (auf Treitsch weisend) Wie war nochmal sein Name?.. Treitsch?

 

VERCHOVTZEV: Er heißt ebenso wenig Treitsch, wie ich Bismarck. Weiß der Teufel, wie sein richtiger Name ist.

 

LUNTZ: (von einem Grüppchen zum anderen rennend) Ich bin glücklich, ich bin so glücklich! Wissen Sie... meine Eltern wurden ermordet. Und auch meine Schwester. Ich wollte eigentlich nicht... Ich wollte eigentlich niemals darüber reden... Wozu auch? - dachte ich. Lieber ganz tief und weit verdrängen und lieber niemanden damit behelligen. Aber jetzt... Wissen Sie, wie sie ermordet wurden? Treitsch, verstehen Sie, was ich meine? Ich wollte eigentlich niemals darüber...

 

PETJA: (zu Zhitov) Was soll denn das werden?

 

ZHITOV: Keine Ahnung, aber ist doch interessant.

 

PETJA: Aber wozu? Wenn wir sowieso alle sterben müssen - Sie und ich und die Berge. Wozu das alles?

 

Alle haben sich in Grüppchen zusammengefunden. Ternovskij steht allein da.

 

VERCHOVTZEV: (entzückt zu Marusja) Unglaublich, dieser Treitsch - und dabei wurden schon Harmlosere als er hingerichtet. Wen Kolja so alles anschleppt! Da kann man nur hoffen, dass ihm die Flucht gelingt, nicht wahr, Marusjenka?

 

MARUSJA: (antwortet nicht, sondern fängt unvermittelt an zu lachen und zu singen) Komm, fliegen wir fort!

 

INNA: (sich aus dem Fenster lehnend) Es gibt Mittagessen, meine kleinen Adler!

 

VERCHOVTZEV: Zip-Zipf-Zipf!

 

MARUSJA: Und dazu trinken wir Sekt! Mamotschka, haben wir welchen da?

 

STIMMEN: Ja, eine gute Idee/Sekt?!..

 

INNA: Nein, Sekt haben wir leider nicht, aber dafür gibt es Kirschwasser.

 

Gelächter, Ausrufe.

 

TERNOVSKIJ: (nimmt Marusja beiseite) Ich gehe wieder hoch, Marusja. Ich will Euch nicht weiter stören...

 

MARUSJA: (kühl) Wieso das denn? Es ist gerade so lustig.

 

TERNOVSKIJ: Ja, schon; ich wollte mir heute sogar den Tag freinehmen, um Deine Ankunft zu feiern - aber es geht nicht.

 

MARUSJA: Sie müssen wenigstens mit uns mittagessen.

 

LUNTZ: (laut) Pollak sollte auch dabei sein. Er ist schon ein netter Kerl - wirklich in Ordnung. Ich gehe ihn holen.

 

STIMMEN: Pollak, Pollak!

 

TERNOVSKIJ: Nein, eßt ohne mich.

 

MARUSJA: Schade! Inna Alexandrovna würde sich bestimmt freuen...

 

TERNOVSKIJ: Sag ihr, dass ich arbeite. Vor Deiner Abreise schaust Du aber nochmal bei mir rein, oder? (geht von niemandem bemerkt ab)

 

MARUSJA: Schmidt, wo sind Sie? Sie sind jetzt mein Tischherr. - Na, Leute: sieht er nicht aus, wie ein waschechter Spion?!

 

ANNA: Marusja wird langsam richtig ordinär.

 

MARUSJA: Wißt Ihr was? Ich mußte mal bei ihm übernachten, da sagt er doch allen Ernstes: Das geht nicht, ich wohne bei einer ordentlichen deutschen Familie und darf keine Frauen und keine Hunde mitbringen...

 

SCHMIDT: Sie gucken jeden Abend nach, ob jemand in meinem Bett liegt - fürchterliche Leute!

 

VERCHOVTZEV: Schön dumm! Wieso ziehen Sie nicht einfach aus?

 

SCHMIDT: Dann bin ich mein Zimmer los, so steht es im Vertrag.

 

ANNA: Und auf sowas haben Sie sich eingelassen?!

 

SCHMIDT: Ich hatte keine andere Wahl, sie wollten...

 

LUNTZ: (mit Pollak; laut) Hier ist er. Ich mußte ihn mit aller Gewalt losreißen; er hatte sich wie ein Blutegel am Refraktor festgesaugt!

 

POLLAK: Herrschaften, das ist Vergewaltigung. Ich war noch gar nicht fertig...

 

MARUSJA: Pollak - Sie sind ein Schatz! Ich bin so froh. Sie sind so ein guter Mensch! Alle lieben Sie!

 

POLLAK: Es ist natürlich sehr angenehm, das zu hören, aber warum sind Sie denn so froh? Die Revolution ist doch zu Ihren Ungunsten verlaufen.

 

VERCHOVTZEV: Wir haben uns einen neuen Plan ausgedacht. Wir werden...

 

POLLAK: Ja, ja. Das glaube ich Ihnen auch so.

 

MARUSJA: Wissen Sie was? Wir werden auf die Astronomie trinken. Es lebe die Umlaufbahn!

 

POLLAK: Tut mir leid, ich vertrage keinen Alkohol: Ich kriege immer Kopfschmerzen davon, und mir wird schlecht.

 

VERCHOVTZEV: Vielleicht solltest Du ihm ein Gläschen Maschinenöl anbieten. Trinken Sie denn einen Schluck Maschinenöl mit, Pollak? Oder Schmieröl...

 

MARUSJA: Nein, wir werden Kirschwasser trinken - reines deutsches Kirschwasser!

 

LUNTZ: Na los, Genosse Pollak! Sie sind so ein anständiger und guter Mensch!

 

INNA: (lehnt sich erneut aus dem Fenster) Was ist los, worauf wartet Ihr denn? Meine Güte, dass man immer alles zweimal sagen muß!

 

MARUSJA: Gleich, wir kommen sofort! (als die anderen losgehen wollen) Halt, Ihr wollt doch nicht einfach so losmarschieren!? Laßt uns ein Lied singen! Kommen Sie Pollak, sträuben Sie sich nicht...

 

verchovtzev: Aber irgendetwas Lustiges! Ach, herrlich, wie die Sonne scheint!

 

ANNA: Valja, deck Deine Beine zu.

 

MARUSJA: (stimmt ein Lied an) "Der Himmel so klar, die Sonne so herrlich, die Sonne, sie ruft uns..."

 

Alle, außer Petja, singen mit.

 

(Lied)...

 

VERCHOVTZEV: Ein bißchen schneller, Anja! Du schiebst doch keinen Sarg.

 

(Lied)...

 

Die letzten Worte des Liedes werden hinter der Ecke des Hauses wiederholt. Petja bleibt allein zurück und blickt den anderen finster hinterher.

 

(Lied aus dem Off)...

 

 

 

zum 3. Akt