Radfahrer hupen nicht
Privatautos sind längst kein Statussymbol mehr, sondern (in der Großstadt) nur noch Symbol für Umweltignoranz – und als Faustregel gilt: je protziger das Vehikel, desto prolliger der Besitzer. Wer heute Klasse hat, fährt Fahrrad und nutzt, falls ein Automobil angebracht ist, Car-Sharing oder Taxi.
“Was für ein Wahnsinn! Dass jeder Hinz und Kunz, darunter massenhaft unreife, aggressive Radfahrerverachter und Umweltignoranten, ohne die geringste Not(wendigkeit) tagtäglich mit tonnenschweren stinkenden Mordwaffen durch unser Privatleben brettern dürfen!”
… denke ich (als eingefleischter Radfahrer und Privatauto-Gegner) seit vielen Jahren eigentlich fast täglich, und es wird nun höchste Zeit, etwas dagegen zu tun, z.B. mich in einer Initiative wie Changing Cities zu engagieren, denn ich unterstütze sämtliche 10 Ziele der Initiative “Volksentscheid Fahrrad” *) und fordere darüber hinaus
- ein grundsätzliches Tempolimit für Wohnsiedlungen auf 25 km/h (mit ständiger Überwachung);
- eine Führerscheinreform mit Prüfung der ethischen Reife hinsichtlich Umweltbewusstsein;
- härtere Strafen für motorisierte Verkehrsteilnehmer, die Radfahrer zu dicht überholen, anhupen und nötigen;
- Zulassung oder sogar Verpflichtung einer „Dashboard-Cam“ als Beweismittel;
- höhere staatliche Subventionierungen von Car-Sharing, Taxi und Menschen, die ihr Auto gegen ein Fahrrad eintauschen;
- höhere Sicherheitsstandards für Lkw in Wohngebieten;
- bessere Ausbildung, kürzere Arbeitszeiten und höhere Bezahlung von Berufskraftfahrern.
- Außerdem schlage ich vor, Fahrräder mit den lautesten Hupen auszustatten und
- eine Technik für gefahrloses Windschattenfahren zu entwickeln.
Montag, 6.7.20, ca. 14.30:
Beide mit neuen Neon-Warnwesten ausgestattet, fahren meine 5-jährige Tochter und ich auf dem Radweg der Luxemburger Straße (in Berlins Wedding) Richtung Norden. Ein (neuer) großer Lkw der Firma „B.E.S.T. Getränke“ überholt uns kurz vor der Querstraße (Gentstraße), deren Ampel zwei Sekunden vor unserer Ankunft auf grün springt. Der Lkw-Fahrer, der uns gesehen haben MUSS, falls er VOR dem Abbiegen einen Blick nach rechts bzw. dann BEIM Abbiegen einen Blick in seinen Sicherheits-Rückspiegel geworfen bzw. seinen Beifahrer gefragt hat, biegt langsam rechts ab, ohne zu halten. Ich warne meine Tochter, sie solle abwarten, bis der Lastwagen wirklich angehalten hat. DAS tut er allerdings erst, nachdem er die Radwegmarkierung fast gänzlich überquert hat. Und er hält auch nur, weil ich und ein anderer Radfahrer ihm laut zurufen: Hey, Achtung, aufpassen, Mensch! Daraufhin fahren wir vorsichtig weiter. Der LKW-Fahrer hupt uns an und zeigt armwedelnd auf die (für uns gar nicht relevante!) Fußgängerampel, die mittlerweile auf rot gesprungen ist. Der andere Radfahrer wird wütend, brüllt den jungen Kraftfahrer an: Hornochse, Idiot! Willst Du eine Anzeige?!…
Auch der von mir eigentlich hochgeschätzte Dieter Nuhr nutzt LEIDER jeden zweiten Auftritt, um sich über solche Radfahrer zu echauffieren. Das Quäntchen Wahrheit, das dahinter steckt, sind übereifrige Radfahrer, die hysterisch ihre Rechte einfordern. Diesen Leidensgenossen rufe ich zu: Bewahrt Ruhe, bleibt defensiv, fahrt mit anständigem Beispiel voran und lenkt Euren Eifer in sinnvolle Bahnen – zum Beispiel dorthin: https://changing-cities.org/unterstuetzen/mitmachen
Modernes Verkehrsrowdytum
DASS ein Lkw-Fahrer Radfahrern die Vorfahrt nimmt, sollte eigentlich gar nicht mehr passieren KÖNNEN. Leider KANN es das mangels entsprechender Sicherheitstechnik aber immer noch viel zu oft. Meistens ist es jedoch, wie auch in diesem Fall, sicher KEINE böse Absicht. Was NICHT passieren DARF: dass der Lkw-Fahrer nach seinem Fehler den Radfahrer anhupt oder sogar maßregelt. GERADE ein Berufskraftfahrer sollte erwachsen genug sein, seinen Fehler einzusehen, cool zu bleiben. Und er sollte natürlich intelligent genug sein, zu wissen, dass Ampeln die Eigenschaft haben, umzuschalten – selbst dann, wenn Fußgänger oder Radfahrer gerade mitten auf der Straße sind, und dass diese GLEICHBERECHTIGTEN Verkehrsteilnehmer sich dann eben NICHT augenblicklich in Wohlgefallen auflösen können!
Was dem Kraftfahrer auch klar sein sollte: dass er dem Image seiner Firma schadet, wenn er sich so rüpelhaft benimmt. In diesem Fall habe ich eine entsprechende Google-Bewertung gepostet, bin auf die Reaktion gespannt…
Taxifahrer und (vor allem) Berliner Busfahrer, die mit 60 Km/h so dicht an Radfahrern (auch Kindern!) vorbeirauschen, dass man Sog und Windzug deutlich spürt, verhalten sich übrigens in der Regel noch viel rüpelhafter! Dagegen muss ebenfalls etwas getan werden: z.B. eine bessere Ausbildung, kürzere Arbeitszeiten und höhere Bezahlung von Berufskraftfahrern.
Körperverletzendes Hupen
Was ich nie verstanden habe: warum Lkw- und Bus-Hupen um so vieles lauter sind, als die von normalen Pkw. Sie sind ohrenbetäubend – erst Recht, wenn sie aus nächster Nähe in das noch lange nicht durch TekknoClub-Nächte abgestumpfte Gehör einer 5-Jährigen abgefeuert werden.
DAS ist Nötigung, wenn nicht gar Körperverletzung!
Meine Tochter sprach noch zwei Tage später von diesem Schreck!
WENN überhaupt jemand lautere Hupen haben sollte, dann diejenigen, die sich täglich in Lebensgefahr begeben: die Radfahrer. Immer wieder erlebe ich Verachtung und Aggression von Autofahrern gegen Radfahrer. Anstatt sich zu freuen, dass ein paar weniger Hornochsen die Straßen verstopfen, die Umwelt verpesten und ungeschützte Mitbürger bedrohen, hupen sie einen an, nehmen einem – oft absichtlich – die Vorfahrt, drängen einen ab, ignorieren Radwege, benutzen sie als Lade- und Parkplätze. Und oft sind das diejenigen mit den dicksten Karossen.
Respekt für diejenigen, die etwas dagegen tun!
Ich fragte mich kürzlich, wie ich helfen, mitmachen kann, wollte zunächst einmal die ganz gewöhnliche Unbill eines Radfahrers dokumentieren, montierte eine Actioncam, ließ sie zwei Wochen lang laufen. HIER findet man einen (noch zu langen) Zusammenschnitt alltäglicher Situationen:
*) Zum Punkt 6 der Ziele (50 Grünen Wellen fürs Fahrrad) würde ich verfeinernd anmerken, dass die Grüne Welle vor allem dort besonders sinnvoll ist, wo es bergab geht – je schüssiger desto sinnvoller.
Ein Beispiel: Hochstraße (Wedding) ab Gesundbrunnen in südl. Richtung bis hinter Gerichtstraße: dort geht es steil bergab. Doch man wird mindestens einmal gezwungen, auf diese für Radfahrer so erquickende Gravitationsenergie zu verzichten, mehr noch: ihr mittels scharfem Bremsen entgegenzuwirken. Und Bremsen ist für Radfahrer nun mal das größte Übel – größer als für alle anderen Verkehrsteilnehmer, schon alleine wegen der hohen Kosten neuer Bremsbacken.
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