Kreuzfahrt- und Containerschiff-Hybrid im Universum

One lucky son of a bitch. Oder: Kubrick würde sich im Grabe räkeln.

„Passengers“, ein origineller Science Fiction von 2016 mit einer betörenden Jennifer Lawrence und einem etwas zu perfekten Chris Pratt.

Ob meine Begeisterung für “Passengers” auch deshalb so hohe Wellen schlägt, weil ich seit Längerem mit einer ähnlichen Grundidee (lebenslange Reise zu einem erdähnlichen Planeten) schwanger gehe, ohne bislang den passenden Rahmen (und Elan) für eine Umsetzung gefunden zu haben? Gut möglich.

Ganz unabhängig davon ist dieser, mir 2016 durch die Kino-Lappen gegangene, SF des bislang nur durch das Alan Turing-Biopic “The Imitation Game” auffällig gewordenen Norwegers Morten Tyldum ein poetisch vielschichtiges, erzählerisch fantasievolles, psychologisch sensibles und technisch erstaunliches Meisterstück. Obwohl der Drehbuchautor in Hollywood bereits recht gefragt ist, könnte man zur Zeit noch einen Artikel in der deutschsprachigen Wikipedia über ihn platzieren. Sein schwer zu merkender Name: Jon Spaihts.

Die größte Freude an seinem hier vorliegenden Werk bereitete mir das Inspirationsfeuerwerk. Schon mit Entwicklung der Ouvertüre – 5000 Menschen, für 120 Jahre in Tiefschlaf versetzt, reisen zu einem erdähnlichen Planeten; wegen einer Fehlfunktion wacht einer 90 Jahre zu früh auf – fragt man sich: Was soll, was kann, was wird der (etwas zu gut aussehende und etwas zu besonnene und als Techniker auch etwas zu prädestinierte) Protagonist tun? Andere Schlafende wecken? Wen und wie viel und mit welchen Überlegungen, Absichten?

WAS für ein Potenzial für Fantasie!

Zum einen wird hier ein mit Shining-Motiven fein garnierter Robinson Crusoe-Stoff neu verwoben, der sich zu einem bezaubernden, anrührenden Adam-und-Eva-Mythos entwickelt. Bei beinahe jeder Wendung frage ich mich, wie ich selbst die Geschichte weiterspinnen würde. Dabei ist der Film einfach viel zu spannend, um auf Pause zu drücken, sich den eigenen Fantasien hinzugeben. Ein Wermutstropfen: die typisch Hollywood-übertriebenen, völlig unnötigen, ja störenden Actionsequenzen, wobei der schwerelose Swimmingpoolinhalt schon was hermacht.

Etwas übertrieben erscheint, wie gesagt, die unverschämte Attraktivität des Helden mit dem (einem Mechaniker eigentlich doch ganz gut stehenden) Gesicht einer Schaufensterpuppe und dem Körper einer griechischen Statue – eine Augenweide, die dann von der atemberaubenden Schönheit der großartigen Jennifer Lawrence noch um Klassen getoppt wird. Der „Deus ex Machina“ (Laurence Fishburne mal wieder als Raumschiffskapitän), dessen Erweckung ich persönlich etwas plausibler/sensibler eingeführt hätte (etwa als Computer-Reflex auf den Bug zweier wacher Passagiere), bringt dann befreiend treffend auf den Punkt, was alle (Männer) denken:

All this time I’m thinking you’re one lucky son of a bitch to get stuck with Aurora!
(Und ich denke die ganze Zeit, was Sie für ein Glückspilz sind, hier mit Aurora festzusitzen!)

Kreuzfahrt-Raumschiff oder Dornröschen-Frachter?

Was dem aufmerksamen Rezipienten zumindest bei genauerer Betrachtung auffallen dürfte, sind ein paar schwer auszumerzende Logikbrüche:

Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, wieso die 5000 Passagiere eigentlich bereits VIER Monate vor ihrer Ankunft auf dem Planeten „Homestead II“ aus ihrem stoffwechselfreien Dornröschen-Winterschlaf („Hibernation“) gerissen werden müssen?

=> Eigentlich doch wohl nur, um das Vorhandensein dieses ganzen beeindruckenden Future Living-Luxus zu rechtfertigen, mit dem das spektakuläre Raumschiff ausgestattet ist. Oder?

Es MUSS Menschen geben, die sich in der Präsidentensuite vergnügen, im fantastischen Swimmingpool (mit Blick auf den Weltraum) plantschen und sich am reichhaltigen Unterhaltungs- und Nahrungsangebot laben. Aber weshalb? Die rekonvaleszente Aufwachphase dauert, wie wir wissen, lediglich ein paar Stunden, eigentlich sogar bloß Minuten. Abgesehen davon könnte sie ebenso gut NACH der Landung erfolgen. Und für das Landemanöver dürften ein bis drei Leute mehr als genug sein, eigentlich müsste der Computer sogar ganz alleine damit fertig werden.

Wozu also 258 Crewmitglieder? Und weshalb zieht niemand in Erwägung, ein paar (attraktive, junge) davon ebenfalls aufzuwecken? Und: WENN (aus irgendeinem Grund) 5000 wache Menschen VIER Monate lang in diesem Luxus-Kreuzfahrt-Raumschiff zusammen leben werden: wieso gibt es dann bloß eine EINZIGE OP-Wunderliege? Antwort: damit die beiden nicht auf die Idee kommen, sich wieder aufs Ohr zu hauen! Apropos Winterschlaf: wurden die unzähligen anderen lebenden Organismen, wie bspw. die pflanzlichen Keimlinge, ebenfalls von ihrem Stoffwechsel suspendiert?

Last but not least bricht die Schwerkraft, so fulminant dieser Abbruch inszeniert wurde, viel zu plötzlich ab, wie mir mein Bruder (ein Ingenieur) verriet. Es gibt nämlich bislang lediglich eine Methode, um Gravitation zu simulieren, und zwar mittels Rotation, wie in Kubricks Raumschiff von 2001. Und eine solche Rotation hört nicht so abrupt auf, sondern klingt sanft aus.

Viele Fragen, auf die Altgroßmeister Kubrick Antworten geschaffen hätte, um daraus ein großes Meisterwerk zu machen. So bleibt es ein Meisterstück mit viel (unterhaltsamem) Raum für Fantasie.

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