Je später der Fehler, desto teurer seine Behebung
Der Hamburger Unternehmer und Visionär Georg Kapsokalyvas, Geschäftsführer der renommierten Sprachdienstleistungsgruppe Glossa Group GmbH, China-Experte und Erfinder von myproof, sprach mit uns über die Notwendigkeiten und Möglichkeiten der Qualitätssicherung von Übersetzungen.
Das Beitragsbild zeigt zwei Teilnehmer des LQA Symposiums,
das Georg Kapsokalyvas ins Leben rief, und (ganz rechts) mich als Moderator.
GzPdU = Gesellschaft zur Pflege der Übersetzungskultur.
English Version
GZPDU:
Herr Kapsokalyvas, lässt sich Ihr Name in unsere Sprache übersetzen?
KAPSOKALYVAS:
Wir haben nachforschen lassen: „Kapso“ wurde durch eine Lautverschiebung, die so genannte Volllautung nach dem Gesetz der geschlossenen Silbe, zu „kapos“. Zu Deutsch: „eine Art von“. Und „kaliv“ ist Kalif. Falsch übersetzt bedeutet es jedoch – leider – so viel wie „Brandstifter“.
GZPDU:
Aber das war gewiss nicht der Grund, warum Sie „myproof“ entwickelten!?
KAPSOKALYVAS:
Nein, damit habe ich kein Problem. Der Wunsch nach einem Verfahren zum Prüfen und Bewerten von Übersetzungen, gärte bereits seit langem in mir – wie sicherlich auch in vielen anderen Köpfen, die Probleme technischer Übersetzungen zu lösen haben. Die erste konkrete Anwendung fand in Zusammenarbeit mit BMW statt, die uns beauftragten, auf Grundlage der SAE J2450-Norm ein Verfahren zur Qualitätssicherung ihrer übersetzungsrelevanten Texte zu konzipieren.
GZPDU:
Was genau ist myproof?
KAPSOKALYVAS:
myproof ist ein automatisiertes, objektives und vertrauliches Verfahren zum Erfassen, Prüfen und Bewerten mehrsprachiger Texte. Und ich habe die Vision, besser gesagt die Absicht, myproof zu einer Art Übersetzungs-TÜV zu machen, an dem über kurz oder lang niemand mehr vorbei kommt, der mit technischen Übersetzungen zu tun hat.
GZPDU:
Größere Unternehmen beschäftigen ja in ihren Sprachabteilungen eigene ISO- und DIN-zertifizierte, also durchaus professionelle Übersetzer und Lektoren…
KAPSOKALYVAS:
Das ist richtig. In den größten Sprachabteilungen sitzen mitunter weit über hundert Fachkräfte.
GZPDU:
Dann sollten die doch eigentlich in der Lage sein, ihre Übersetzungen selbst prüfen zu lassen!
KAPSOKALYVAS:
Das wurde und wird ja bislang auch immer wieder versucht, aber es klappt eben nicht: erstens müssen die betreffenden Lektoren zum Teil ihre eigenen Arbeiten oder die guter Kollegen kritisieren, was natürlich keinen Sinn macht, zweitens sind sie damit zeitlich überfordert. Drittens kann überhaupt nur eine kleine Anzahl von Sprachen bewältigt werden, wogegen die meisten Großexporteure bis zu 45 Sprachen bedienen müssen. Deshalb werden solche Aufgaben an weit entfernte Auslandsniederlassungen delegiert. Aber die dortigen Mitarbeiter sind damit ebenfalls überfordert und deshalb unmotiviert. Das Ergebnis ist erstens teuer, zweitens suboptimal, um nicht zu sagen unbrauchbar. Wir haben uns mit diesen Aspekten in epischer Breite beschäftigt, deshalb ein Nähkästchen-Beispiel: Auf Grund von Reklamationen und gehäuften Nachfragen im koreanischen Fertigungswerk soll ein Text mit einem Umfang von 1,7 Millionen Wörtern geprüft und überarbeitet werden. In Zusammenarbeit mit der koreanischen Vertriebsgesellschaft braucht die Sprachabteilung dafür mindestens 5.000 Arbeitsstunden, es entstehen also zunächst einmal Personalkosten von 200.000 Euro. Hinzu kommt nochmal in etwa das gleiche für aktive Einpflege und Kommunikation zwischen Übersetzern, Projektmanagern und anderem Personal im In- und Ausland.
GZPDU:
Tatsächlich so viel??
KAPSOKALYVAS:
Das ist eine durchaus realistische, wenn nicht gar niedrig gegriffene Schätzung, die mir jeder erfahrene Sprachabteilungsleiter bestätigen wird. Außerdem müssen wir natürlich den passiven Aufwand veranschlagen, also den nicht erzielten Umsatz, den diese Leute eigentlich erbringen würden – ganz zu schweigen vom Sinken der Arbeitsmoral. Über den Daumen gepeilt, kommen also insgesamt locker 400.000 Euro zusammen – für die Prüfung einer Übersetzung, die selbst bereits 250.000 gekostet hat, das darf man ja nicht vergessen. Und das für ein, wie gesagt, nicht optimales Ergebnis. Und o h n e die Berücksichtigung etwaiger immenser Kosten für Personenschäden, Regressansprüche, Konventionalstrafen, Verzögerungen bzw. Wiederholungen von Zulassungsverfahren, Image-Einbußen etc. als typische Folgen von Übersetzungsfehlern.
Mit dem Einsatz von „myproof“ kostet alles zusammen etwa 125.000 Euro, also nicht einmal ein Drittel! Wobei die langfristigen Zukunftseffekte gar nicht hoch genug bewertet werden können: Leute, die wissen, dass ihre Arbeit von Spezialisten geprüft wird, strengen sich beispielsweise deutlich mehr an. Hinzu kommen diverse andere Vorteile, die myproof bietet: auf Knopfdruck lassen sich die vielseitigsten Statistiken abrufen, die wiederum verlässliche und detaillierte Aussagen über die Arten, Ursachen und Mengen der vorhandenen Probleme erlauben, so dass nun ganz gezielte Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet werden können: einzelne Übersetzungsdienstleister entlasten oder nachschulen, kontaminierte Translation Memorys bereinigen, Terminologie-Datenbanken korrigieren, Originaltexte verbessern…
GZPDU:
Handelt es sich dabei auch um ein raffiniertes Marketing-Manöver, um neue Aufträge zu akquirieren? Immerhin leben sie davon.
KAPSOKALYVAS:
Sie meinen, wir lassen die Arbeiten unserer Mitbewerber absichtlich durchfallen, um dann als Retter in der Not einzuspringen?
GZPDU:
Ganz so drastisch hätte ich es nicht formuliert.
KAPSOKALYVAS:
Klares Nein. Zum einen ist es so, dass wir uns über gute Ergebnisse schon deshalb freuen, weil sie bedeutend weniger Aufwand erfordern. Zum zweiten würden wir uns damit ins eigene Fleisch schneiden. Diese Masche würde ganz schnell auffliegen, wir wären raus aus dem Geschäft und bekämen nie wieder einen Fuß in die Tür. Im Gegenteil trichtere ich meinen Vertriebsmitarbeitern ein, genau diesen Gedanken deutlich zu kommunizieren, und etwaige Übersetzungsanfragen wenn auch nicht unbedingt rigoros abzulehnen, so aber doch zumindest auf den Interessenskonflikt hinzuweisen. Ich spiele sogar mit dem Gedanken, die beiden Geschäftsfelder zu trennen und myproof eventuell sogar in einen gemeinnützigen oder zumindest Tendenzbetrieb umzuwandeln.
GZPDU:
Abgesehen von den Erfahrungen, die wir ja alle schon gemacht haben: dass es im Endeffekt billiger ist, einen Fachmann ranzulassen, anstatt Probleme selbst lösen zu wollen: Was kostet myproof und was spart es ein? Liegen Ihnen dazu bereits harte Kennzahlen – und Vergleichszahlen vor?
KAPSOKALYVAS:
Selbstverständlich. Was die Vergleiche anbelangt, so kann man sich wissenschaftlicher Erkenntnisse bedienen. Unter den Schlagwörtern „ROI on QA“, „Quality Profitability Index“, „Kosten-Nutzen-Evaluation“, „Effektstärke von Qualitätssicherung“ etc. findet man einiges, zum Beispiel eine Forschungsarbeit des „Seminars für Wirtschaftsinformatik und Systementwicklung“ der Kölner Uni, wo ausführlich dargestellt wird, um wie viel höher der Nutzen ausfällt, je früher ein Fehler im Entwicklungsprozess gefunden wird.
Aber wir diskutieren auch mit Fachleuten verschiedener Industriezweige und werten eigene empirische Daten aus. Unter dem Strich kann man jedenfalls sagen, dass Qualitätssicherung sich immer lohnt, und dass Maßnahmen, wie wir sie mit myproof bieten, mindestens 2, wenn nicht 3 oder mehr Euro pro investiertem Euro einbringen.
Eine der vielen Vorteile vor allem der „myproof platform“ liegt übrigens in der Transparenz – nicht nur der Ergebnisse, sondern auch des Preises, den der Nutzer sich vorher genauestens kalkulieren lassen kann. Dazu muss man wissen, dass unsere Preise nach der Anzahl der Wörter berechnet werden, nicht nach dem Aufwand.
Aber neben den eben genannten Kosten durch schlechte Übersetzungen, geht es auch um das Image, dessen Beschädigung sich nicht so ohne weiteres in harten Zahlen beziffern lässt. Deshalb ja auch der Begriff der „weichen“ Zahlen, die in einer Studie von Sigrun Fritz, „Ökonomischer Nutzen weicher Kennzahlen“ sehr anschaulich in Geldnutzen dargestellt wurden. Darin kommt sie zu dem Ergebnis, dass die Maßnahmen zur Sicherung der Image-Qualität das Zwei- bis Vierfache der Investitionen einbringen.
Kaum etwas vermag das Image eines Unternehmens so nachhaltig zu beschmutzen wie eine schlechte (oder eben schlecht übersetzte) Bedienungsanleitung. Denn der Kunde identifiziert mit der Qualität der Betriebsanleitung natürlich auch die Qualität des Produkts selbst….
GZPDU:
Und das geschieht schon unterbewusst, also unwillkürlich. Werner Pepels spricht in seinem Buch „Bedienungsanleitungen als Marketinginstrument“ davon, dass solche Texte auf dieser tieferen Ebene in der Nachkaufphase auch als „zentrale Kontaktbrücke“ zwischen Hersteller und Kunde fungieren.
KAPSOKALYVAS:
Ganz richtig. Gut aufbereitete Handbücher sparen teure Hotline-Kosten ein und senken die Zahl von Beschwerden aufgrund von Bedienungsfehlern signifikant. Eine verständliche Anleitung macht sogar Schulungen überflüssig oder ermöglicht kürzere Schulungszeiten. Darüber hinaus kann man den Wert des Produkts erhöhen, indem die so genannten „kognitiven Dissonanzen“ abgebaut werden etc.
Ich weiß von Fällen, wo Einkäufer ihre Entscheidungen allein auf Grundlage der Verständlichkeit von Betriebsanleitungen fällen – und da geht es nicht um die Frage, ob ich in den Betriebstoiletten Handtuchhalter von x oder y installiere, sondern darum, ob der Hafenmeister des Rotterdamer Seehafenterminals, der dreißig neue Container-Gabelstapler ankaufen muss, sich für diejenigen von Caterpillar, Jungheinrich, Manitou, Still oder Linde entscheidet.
GZPDU:
Sie sprachen vorhin von Vision…?! Welche Auswirkungen erhoffen oder erträumen Sie sich?
KAPSOKALYVAS:
Ich bin kein Träumer. myproof wird die Welt der technischen Dokumentationen und Übersetzungen grundlegend verändern, davon bin ich überzeugt.
GZPDU:
Wie meinen Sie das?
KAPSOKALYVAS:
Durch die Einführung des Internets und der computergestützten Übersetzungstechnik mit Beginn der 90er Jahre fand eine rasch zunehmende Globalisierung statt. Plötzlich war jeder, der übersetzen konnte (oder glaubte, es zu können), in der Lage, seine Dienstleistung weltweit anzubieten. Die Folgen waren sinkende Preise und damit verbunden natürlich auch sinkende Qualität. Kunden sind gerade in dieser Branche nur selten in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen, oder Fehlerquellen zu lokalisieren. Und je später ein Fehler in der Wertschöpfungskette eines Produkts gefunden wird, desto kostspieliger fällt die Behebung dieses Fehlers bekanntlich aus. Diese Missstände des Marktes müssen bereinigt werden, das ist eine Art Naturgesetz.
GZPDU:
Und zwar mit myproof!?
KAPSOKALYVAS:
Hätten wir dieses Verfahren nicht entwickelt, hätten sich über kurz oder lang andere daran gewagt, das war nur eine Frage der Zeit.
GZPDU:
Haben Sie keine Angst, dass jemand Ihre Idee klauen könnte?
KAPSOKALYVAS:
Eigentlich nicht. Wir haben ja bereits einen enormen Aufwand an Zeit und Knowhow in die Entwicklung und Ausreifung dieses Konzepts gesteckt. Allein die viele Zeit, die wir in die Auswahl und das Training der Lektoren und Projektmanager investierten, ist so bald nicht aufzuholen. Außerdem erhielten wir schon Auszeichnungen dafür, etwa den „Innovationspreis-IT 2014“, der von der „initiative mittelstand“ ausgelobt wird. Hinzu kommt das Industrie-Gütesiegel „Best of 2014“. Darauf sind wir stolz – und bewerben uns nun für weitere Dekorationen, beispielsweise für den Masing-Preis, mit dem die Deutsche Gesellschaft für Qualität Spitzenleistungen im deutschen Qualitätsmanagement fördert. Wir sind also in jedem Fall die ersten. Falls wir jedoch irgendwann nicht mehr die einzigen sein sollten, kann mir das eigentlich nur Recht sein, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.
GZPDU:
Sportliche Einstellung. Es heißt ja auch: jemanden nachzuahmen sei die überzeugendste Form der Schmeichelei.
KAPSOKALYVAS:
Erfolg findet immer Nachahmer. Dieses im Fachjargon euphemistisch „Me too-Lösung“ genannte Abkupfern guter Ideen, die juristisch kein Plagiat sind, zieht sich ja querbeet durch sämtliche Branchen unserer Marktwirtschaft. Aber in der Regel bleibt das Original, das den Markt ja mitunter erst geschaffen hat, Marktführer.
GZPDU:
Dann bleibt mir vorerst nur, Ihnen auch weiterhin viel Erfolg zu wünschen, Herr Kapsokalyvas, und Ihnen für dieses aufschlussreiche Gespräch zu danken.
KAPSOKALYVAS:
Ich habe zu danken.
Das Gespräch führte Frank Jankowski im Februar 2015. Mittlerweile wurde „myproof“ wesentlich weiterentwickelt…
Wahnsinn, wie professionell das ist!
Danke, liebe Meike! 😉