Trumputins Rache
Most chitrij* Stratege der Welt schleust Schläfer ins Weiße Haus ein. Oder: ein Wort zur Unreife der US-amerikanischen Diplomatie.
Frank Jankowski, 13. April 2018
Wladimir Wladimirowitsch, verkniffener Cheflügner unserer engsten Lieblingsfeinde, habe mittels Heerscharen zaristischer Hacker einen infantilen Hampelmann ins Ovalbüro eingeschleust.
Wozu eigentlich? Zunächst einmal offenbar nur, um das amerikanische Volk vor der ganzen restlichen Welt lächerlich zu machen…
Im Klartext:
Russische Nerds (und zwar Hunderte davon, wenn nicht Tausende) wendeten angeblich all ihr Können auf, um während der Präsidentschaftswahlen Trumps Gegner zu verunglimpfen und ihn selbst in das bestmögliche Licht zu rücken. Dabei feuerten sie aus sämtlichen Social Media-Rohren. Eine der berüchtigsten Gefechte wurde auf der Enthüllungsplattform Wikileaks ausgetragen.
Der russische Präsident Putin trage also die Schuld an der Wahl Donald Trumps (dessen posthalbstarke Gebärden man als halbwegs kultivierter Europäer wirklich nur schwer ertragen kann).
Gestern Nacht wurde diese Sensation durch das deutsche Fernsehen verbreitet – nicht etwa durch den Revolversender RTL (den ich seit der großen digitalen Umschaltung nicht mehr empfange), sondern durch den (bislang eigentlich für recht renommiert gehaltenen) „ZDF-Info-Kanal“.
„Putins Rache. Angriff auf die US-Wahl„
lautet der Titel dieser durchaus unterhaltsamen Dokumentarsatire. Anfangs dachte ich noch, die tröten einfach mal wieder ins olle Putin-Schmäh-Horn, dann wurde mir klar, dass hier, im Gegenteil, auf ziemlich intelligent dialektische Weise das lädierte Image des russischen Bären aufpoliert werden sollte. Anders ist diese grotesk einseitige Berichterstattung nicht zu erklären. Denn ein solcher Schachzug KANN nur als pfiffig bezeichnet werden – und der Gegner, der DAS mit sich machen lässt, als stümperhaft.
Ich hatte noch nicht die Gelegenheit, wie Bush, „in Putins Seele zu schauen„, kann mir also kein Urteil erlauben, muss zugeben, dass mir seine kalte, emotionslose Undurchschaubarkeit unsympathisch ist.
Aber ich muss auch zugeben, dass er damals, nachdem Jelzin ihn ins Amt gehoben hatte, genau die richtigen Weichen stellte. Damals, als es hieß, viele Dekaden Bankrottwirtschaft zu reparieren, die NATÜRLICH weder Friedensnobelpreisträger Gorbatschow noch der Alkoholiker Jelzin in der ultrakurzen Zeit bewältigen konnten, die ihnen zur Verfügung standen.
Ich lebte ja zufällig gerade dort, als der bislang einzige demokratisch inaugurierte Staatschef Russlands todesmutig auf den Panzer kletterte…
Zunächst einmal räumte sein Nachfolger mit dem Unwesen jener garstigen Parasiten auf, die sich am Elend eines seit Jahrhunderten gebeutelten Volkes fett fraßen: mit den so genannten Oligarchen, die binnen weniger Jahre sämtliche Dreistigkeitsweltrekorde geknackt hatten, die man sich überhaupt nur vorzustellen vermag. Während die in ihren Dollarmilliarden badeten, standen ausgemergelte Universitätsprofessorinnen an den U-Bahn-Stationen russischer Metropolen und verkauften einzelne West-Zigaretten, um ihre lächerliche Rente um wenige Kopeken aufzubessern. Und um mit solch mächtigen Mafia-Gangster-Parasiten fertig zu werden, braucht man nun mal einen „starken“ Mann.
Putin vorzuwerfen, er habe mehrere Hundert Kinder auf dem Gewissen, die von tschetschenischen Separatisten als Geisel genommen worden waren.
Was soll das?
Was hätte er denn tun sollen? Einlenken? Um ein Zeichen zu setzen: Hey, kommt alle her, nehmt all unsere Kinder als Geisel!?
Lenkten WIR in Mogadischu ein?
Und wie hätte Putin auf die Provokationen der US-Diplomatin Nuland reagieren sollen, die sich, Butterbrote verteilend, mitten in der schärfsten Ukraine-Krise mitten in Kiew als barmherzige Samariterin aufspielte?…
Was, wenn Aristoteles Recht hatte, der die Herrschaft der Besten über die Herrschaft des Volkes (also über die Demokratie) stellte?
Was, wenn Putin Recht hat? Wenn er der richtige ist, der „Beste“ für diesen Job (das russische Volk zu dem zu machen, was es noch nie war: eine freie und moderne Industrienation)?
Ist es dann nicht geradezu seine Pflicht, die vielleicht verheerende Entscheidung einer völlig unmündigen Zigmillionen-Wählerschaft zu verhindern?
Als mit Obamas Amtsantritt der Reset-Knopf der russisch-amerikanischen Beziehungen gedrückt werden sollte, überreichte Außenministerin Clinton ihrem Amtskollegen Sergei Lawrow einen symbolischen Plastik-Buzzer mit zwei Aufdrucken: oben stand „Reset“, unten die vermeintliche russische Übersetzung. Man habe „sich bemüht, das richtige russische Wort zu finden“, versicherte die Ex First Lady. Jedoch stand da rückübersetzt etwas ganz anderes, nämlich „Überlast“ bzw. „Überspannung“ („Peregruzka“). Besser (aber auch nicht optimal) wäre „Perezagruzka“ gewesen. Was, bitte schön, sagt dieses Detail über die Reife und Seriosität der US-amerikanischen Diplomatie aus?!
„Bemüht“ hat man sich!? Hoffentlich bemüht man sich demnächst nicht aus Versehen mal, ein wichtigeres Wort zu übersetzen…!… Was Übersetzungsfehler für Schäden anrichten können, habe ich hier anschaulich dokumentiert. Und hier auch.
Und es war NICHT Donald Duck oder Donald Trump, der da über die eigene Peinlichkeit lauthals feixte, sondern einer der angesehensten und seriösesten US-amerikanischen Politiker. Und es zeugt von einem sehr guten Willen, dass Lawrow ebenso herzlich darüber lachte.
Würde ICH einem mir wichtigen Russen ein Geschenk von SOLCHER Symbolträchtigkeit machen, vergewisserte ich mich vorher DREIFACH, dass das entscheidende, das einzige Wort richtig übersetzt und richtig geschrieben ist.
* „chitrij“ ist übrigens eines meiner russischen Lieblingswiewörter und bedeutet soviel wie raffiniert, ausgefuchst, listig.
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