Zwei serielle Vergangenheitsbewältigungen unseres zweitschwärzesten Kapitels

Weissensee und Deutschland 83 (bis 89) – einmal ganz gelungen, einmal nur halb

Jetzt erst, eine ganzen Dekade nach Erscheinen der ersten Folge, entdecke ich die wiederbelebende Serie “Weissensee”, die mich zunehmend beeindruckte, da meine Achtung vor dem deutschen Film seit geraumer Zeit am Absterben war. Was für eine Erfrischung! Trotz der beinahe erschlagenden Vielfalt an Motiven, Strängen und Verstrickungen werden diese doch stets elegant und originell-fantasievoll vernetzt, wirken nie künstlich oder konstruiert, sondern geradezu organisch. Die Figuren sind eigentlich allesamt interessant und trotz ihrer Vielschichtigkeit psychologisch stimmig, wenn man sich auch bei einigen fragt, warum sie mit ausgerechnet diesen Schauspielern besetzt wurden – allen voran Stephan Grossmann (Goerlitz), der besser einen schwulen Tanzbären gegeben hätte. Bei Jörg Hartmann (Falk Kupfer, der missratene Bruder des kleinen Helden Martin), weiß man immer nicht, ob er verdammt gut spielt oder eher nicht so gut, oder ob er überhaupt „spielt“. Die einzige Figur, die wegen ihrer ständigen Jammerei und Unausgegorenheit nervt, ist Dunja Hausmann, wobei man auch hier nicht weiß, welchen Anteil an der Langeweile ihre Darstellerin Kathrin Sass zu verantworten hat, die ja schon in Good bye Lenin eine Idee zu tragisch auftrug, wie ich fand. Echt patent sind vor allem zwei Frauenfiguren: die Fotografin Katja (Lisa Wagner) und Nicole, die Schwester des Pfarrers (Claudia Mehnert). Sehr überzeugend als kumpelhafter Oberstasi-Wendehals-Konjunkturritter: Hansjürgen Hürrig als Günther Gaucke…  

Auch die Dialoge überzeugen und fesseln durch ihre (schwer herzustellende) Kombination aus Natürlichkeit, Pointiertheit und psychologischer Einfühlsamkeit. Und die historischen Hintergründe sind so gewissenhaft recherchiert und/oder fantasievoll konstruiert, dass man diverse Aha-Erlebnisse erfährt, mitgerissen wird, nie abschalten will, was natürlich bei vier Staffeln a 6 Folgen so gut wie unmöglich ist. Einzig der Schnittrhythmus fühlt sich mitunter etwas mechanisch an, wie ein Metronom: erste Figur steht irgendwo, zweite Figur kommt, Dialog, Figur geht ab, Schnitt, dritte Figur steht irgendwo, vierte Figur kommt, Dialog, Figur geht ab, Schnitt… Aber das ist allenfalls eine kleine kosmetische Irritation. Wozu eine fünfte Staffel vielleicht doch geeignet wäre: um ein paar abgerissene Handlungsstränge sauber abzuschließen: was passierte bspw. mit der Mutter von Martins erster Tochter? Oder, was noch viel wichtiger ist: mit den tragischen falschen Eltern seiner zweiten Tochter?

Eine der größten Leistungen besteht vielleicht in der Konsistenz der oben aufgelisteten Qualitätsmerkmale. Viele Serien bauen ab, können das Versprechen, das sie am Anfang abgeben, nicht halten, so z.B. “Deutschland 83”, deren dritte (und hoffentlich letzte) Staffel (“Deutschland 89”) richtiggehend missriet: Völlig hanebüchene, ja teilweise absurd konstruierte Handlungen und komplett unglaubwürdige Verhaltensweisen synthetischer Figuren mit schwülstigen Dialogen… Was am meisten nervt: dass (vermutlich mit profitgierigem Schielauge auf ein internationales Publikum) die Hälfte der Zeit Englisch gesprochen wird. Und Jonas Nay nun doch noch in die (zuvor nur spielerisch-gelind angedeutete) Rolle eines James Bond zu zwängen ist schon mehr als peinlich, denn dazu fehlt dem kleinen Kerl mit den herunterhängenden Mundwinkeln doch so einiges…

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