Adam Riese Collage

Ist Adam Riese senil?

Spöttisch, überheblich, dreist: Strato als Paradebeispiel für eine hinterwäldlerische deutsche Dienstleistungsmentalität. Oder: Wie einer der größten deutschen Hoster durch dummes Kundenmanagement seinen Marktvorsprung aufgibt.

Ausgangssituation:
Strato, einer der größten deutschen Internetprovider/Webhoster bucht einem Kunden mehrere Monate lang 5,33 EUR für einen php-Support ab, der erstens nicht bestellt wurde. Zweitens betreibt der Kunde (ein Webdesigner) gar keine Features mit php-Funktionen – wozu also der Service?! Drittens hatte er diesen Service gar nicht bestellt. Deshalb bat er, den Support einzustellen und die fälschlich abgebuchten Beträge zurück zu erstatten.
Anstatt sich für den lächerlichen Preis von 50 Euro einen zufriedenen Kunden zu bewahren, entsteht ein langwieriges Hin-und-her-Schreiben zwischen dem Kunden und MEHREREN Strato-Mitarbeitern (anstatt einem einzigen), das mit einer Weigerung der Rückzahlung endet.

Stratos erste Antwort (Isabell Hoger, 17.4.):
PHP ist eine Programmiersprache, in der die meisten heutigen Webseiten erstellt sind. Diese Programmiersprache erhält etwa jährlich eine neue Version. Ältere Versionen werden nicht mehr mit kostenlosen Sicherheitsupdates gepflegt. Damit Ihre Webseite aber weiterhin funktioniert führen wir die relevanten Sicherheitsupdates manuell für Sie durch. Dieser Service PHP Extended Support ist in Höhe von 5,33 € pro Monat kostenpflichtig. Ich empfehle Ihnen auf die aktuelle PHP-Version zu wechseln.

Kunden-Antwort (19.4.):
Sehr geehrte Frau Hoger,
danke für die Stellungnahme, jedoch scheine ich mich nicht klar ausgedrückt zu haben, deshalb nochmals deutlich: Ich weiß, was PHP ist. Und deshalb weiß ich auch, dass ich PHP nicht nutze, einen PHP-Support folglich NICHT brauche, NICHT bestellt habe, UND sogar explizit abbestellt habe. Deshalb nochmals: Bitte stellen Sie den Support SOFORT ein und erstatten mir die fälschlich eingezogenen Beträge für einen Support, der gar nicht stattgefunden haben kann.

Es folgen weitere Briefe, die hier als Anhang eingesehen werden können. Der wichtigste Punkt: KEIN WORT zu den (schlagenden) Argumenten (1. Kunde HAT kein PHP, 2. Kunde BRAUCHT keins, 3. Kunde hatte es nicht bestellt). Was die nicht wissen, sich aber eigentlich denken MÜSSEN: dass sie es hier mit einer Art Multiplikator zu tun haben: Der Webdesigner nimmt nämlich gerade an einer WordPress-Schulung teil, wo er unter anderem mit 18 anderen Teilnehmern darüber diskutiert, welcher Hoster zu empfehlen sei.
Ergebnis: Der Webdesigner sucht sich einen (der massenhaft anderen) Hoster und kündigt seinen Vertrag. Keiner der 18 bereits aktiven oder werdenden Webdesigner wird Strato als Hoster auch nur in Betracht ziehen, geschweige denn einem Kunden empfehlen. Ein Teilnehmer, seit 20 Jahren Strato-Kunde, kündigt nun ebenfalls seinen Vertrag. Der Dozent wird den Teilnehmern seiner nächsten Schulungen nachdrücklich von Strato abraten…

Ist denn Adam Riese wirklich so senil?

Strato ist nur eines von vielen deutschen Dienstleistungsunternehmen, allen voran Giganten wie die Deutsche Telekom, DHL oder die Deutsche Bahn, die noch immer nicht begriffen haben, warum ihre US-amerikanischen Mitbewerber sie langsam aber sicher vom Markt verdrängen: weil sie erstens nicht die einzigen sind, und weil die anderen rechnen können! Aber ist denn die hier aufgestellte Rechnung wirklich so schwierig?

Was uns die Amerikaner voraus haben:

Ich sage es nicht gerne, aber in einem Punkt MÜSSEN wir von den Amis lernen: der Kunde ist kein, ich betone: KEIN Popanz, den man herumschubsen kann, schon GAR nicht den Bestandskunden. Aber vor allem die werden in Deutschland stiefmütterlich behandelt. Bei der Akquise von Neukunden reißt man sich die Allerwertesten auf, und hat man erst einmal einen im Netz, lässt man ihn auf dem Trockenen zappeln. Dabei wäre es so viel leichter, günstiger, profitabler, den Bestandskundenstamm zu hegen. Googelt man den Terminus “Bestandskunden”, finden sich gleich ganz oben zwei Listen, warum die so wichtig sind, eine mit 11 Gründen und eine mit fünfen. Hier die vier wichtigsten aus meiner Sicht:

  1. Zufriedene Bestandskunden sind die beste Werbung.
  2. Bestandskunden verursachen weniger Aufwand und Kosten als Neukunden.
  3. Vertrauen macht experimentierfreudig.
  4. Überzeugte Kunden sind preisunempfindlicher.

Wer jedoch glaubt, ein Bestandskunde habe keine Toleranzschwelle und scheue den (zugegeben nervigen) Aufwand, sich einen anderen Dienstleister zu suchen, der unterschätzt den Impact des Zorns, den solche Brüskierungen selbst in dieser Branche entfachen können.

Digitale Lauffeuer sind unerbittlich

Natürlich ist unser Webdesigner LÄNGST nicht mehr der einzige, dem die Machenschaften des noch-Großen auf den Sack gehen. Und da sich so etwas im digitalen Zeitalter VOR ALLEM in der Internet-affinen Community rasend schnell herum spricht, wird Strato sich jetzt ganz schnell Gegenmaßnahmen einfallen lassen müssen. Bei HostTest.de etwa schneidet das junge Berliner Unternehmen bereits miserabel ab. Gleich die erste Bewertung wirft Strato Dreistigkeit und Süffisanz vor:

Vor einem Jahr kündigte ich eine bei Strato gehostete Domain. Wie der Kundenservice per Mail empfahl, nahm ich die Kündigung selbst im Kundencenter unter Domains vor. Blöd nur dass heute wieder eine Rechnung ins Haus flatterte. Der Trick dabei: Die Domain ist zwar gekündigt und weg, das „Domainpaket“ aber nicht. Auf meine verdutzte Nachfrage teilte man mir zwar zügig, aber spöttisch mit, ich solle mal meine Verträge prüfen und freute sich abschließend überheblich, mir weiterhelfen zu können. Noch immer nichtsahnend rief ich den Kundenservice an. Ein schlecht gelaunter Call-Center-Agent erklärte mir dann den Nepp und nahm die Kündigung des „Domainpakets“ auf. Auf eine Erstattung der Kosten wollte man sich aber nicht einlassen. Jetzt bezahle ich also ein Jahr lang ein Produkt, welches keinerlei Funktion hat.
So ein
dreistes Verhalten, mit derart irreführenden Prozessen und süffisantem „Kundenservice“, ist mir in 20 Jahren als Webmaster bei keinem Hoster begegnet. Selbst bei den ganz billigen nicht. Eine Klage lohnt ob des geringen Betrags nicht – vermutlich rechnet Strato auch damit und legt deshalb diese unlauteren Methoden an den Tag.
(Florian L.)


Anhang (Korrespondenz-Fortsetzung):

Customer Care-Mitarbeiter Patrick Bandur:

Sehr geehrter Kunde,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich habe Ihnen die letzte Rechnung des PHP extended Support wieder gutgeschrieben.
Dies wird Ihnen in den nächsten Tagen auf Ihr Konto zurück überwiesen.

Kunden-Antwort

Danke, lieber Herr Bandur,
jedoch bestand meine Aufforderung darin, SÄMTLICHE php-Support-Abbuchungen zurück zu überweisen, nicht bloß die letzte. Bitte veranlassen Sie das, und geben mir die Bestätigung, dass keine weiteren Serviceleistungen in Rechnung gestellt werden, die ich weder benötige noch bestellt habe.

Customer Care-Mitarbeiterin Nicole Zander

Sehr geehrter Herr Kunde, vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich kann Ihren Wunsch nach einer Rücküberweisung sämtlicher PHP-Extended-Support-Abbuchungen verstehen. Gerne schildere ich den Sachverhalt aus unserer Sicht. Als Kunde sind Sie verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Ihre Webseite gegenüber Hacker-Angriffen sicher ist. Dazu zählt auch, die PHP-Version und die Webseiten zu aktualisieren. Shared Hosting-Pakete liegen auch auf einem Server, den Sie sich mit mehreren Kunden teilen. Mit der Aktualisierung Ihrer eingestellten PHP-Version in Ihrem Paket STRATO Hosting Plus und Ihrer Webseite, Auftragsnummer xxxxxx, tragen Sie nicht nur zur Sicherheit Ihrer Webseite bei, sondern auch zur Sicherheit unseres Servers. Bestellen Sie ein Webhosting-Paket, steht PHP automatisch mit als Bestandteil zu Verfügung. Sonst würde kein Skript (z.Bsp. ein Formular) oder ein Content Management wie WordPress & co funktionieren. Selbst, wenn Sie als Kunde beabsichtigen, nur HTML-Seiten in den Webspace zu laden, haben Sie PHP als Bestandteil des gewählten Tarifes zur Verfügung. Nur in Domain- und Mailverträge gibt es kein PHP. PHP ist nicht von STRATO entwickelt worden. Von dem Team, wo PHP im Laufe der Zeit entwickelt wurde, kommen auch die kostenlosen Updates. Ältere PHP-Versionen werden von dort nicht mehr unterstützt. Für STRATO gibt es daher nur 2 Möglichkeiten: Alle alten PHP-Versionen abzuschalten. Dies hat zur Folge, dass Webseiten, die mit älteren Versionen erstellt wurden, nicht mehr oder nicht richtig funktionieren und unzählige Fehlermeldungen anzeigen. Die zweite Option ist, dass die alten Webseiten weiterhin laufen. Auftretende Sicherheitslücken werden durch unsere Programmierer geschlossen. Jeder, der sich ein wenig mit Programieren auskennt, weiß, wie schwierig das ist. Bei beiden Optionen gibt es unzufriedene Kunden. Hier setze ich Ihr Verständnis voraus, dass ein gleichzeitiges Zufriedenstellen beider Kundengruppen nicht möglich ist. Da wir uns dafür entschieden haben, dass es besser ist, wenn die älteren Webseite weiterhin laufen und vom Kunden jederzeit auf eine neuere Version umgestellt werden können, wählten wir den Weg des PHP Extended Supports. Es gibt keine Möglichkeit für uns, bei jedem Kunden zu prüfen, ob er PHP verwendet oder sein eventuell installiertes, älteres Content Management noch benötigt. Es ist auch außerhalb unseres Supportrahmens, eventuell vorhandene Skripte oder Content Management Systeme an eine neuere PHP-Version anzupassen. Daher haben wir alle Kunden über den Extended Support informiert. Bei Ihnen erfolgte die 1.Benachrichtigung am 13.05.2019 und die Erinnerung am 18.06.2020. Bis dorthin hatten Sie Zeit, die PHP-Version umzustellen. Aufgrund der kurzen Laufzeit ist die Deaktivierung/Kündigung monatlich möglich gewesen. Die Kündigung des PHP Extended Support erfolgt erst am 19.03.2020. Somit erfolgte die Berechnung zu Recht. Mein Kollege hat Ihnen aus Kulanz die letzte Rechnung gutgeschrieben, weil wir erkennen konnten, dass der Extended Support über den Kunden-Login deaktiviert/gekündigt wurde. Eine rückwirkende Erstattung ist daher nicht möglich.

Kunden-Antwort:

Danke für die Rückmeldung,
ABER: ich HATTE durchaus auf Ihre Benachrichtigungen reagiert und den (völlig unnötigen) Service nach Ihrer unten erwähnten Erinnerung (bei der Sie sich übrigens im Jahr vertan haben) abbestellt. Die vielen (nachweisbaren) Fehler, die Ihnen bzw. Ihrer Firma unterlaufen (hier das falsche Jahr, zuletzt beim AV-Vertrag die falsche Anleitung…), lässt mich vermuten, dass Ihnen diese Abbestellung versehentlich untergegangen ist, deshalb bitte ich Sie nun ein DRITTES Mal, meinem Wunsch zu entsprechen und das Problem zu beheben.
Auch dass Sie mir ein LEERES Paket in Rechnung stellen, ist ein ziemlich fragwürdiger „Service“, den ich stillschweigend duldete. Aber langsam zweifle ich an Ihrer Seriosität, sorry…

Customer Care-Mitarbeiterin Isabell Hoger:

Sie haben den Support erst am 19.03.20 gekündigt. Daher wurde dieser zuvor in Rechnung gestellt. Wäre die Version rechtzeitig umgestellt und der Support deaktiviert worden, hätten wir keine Rechnungen gestellt. Die „Abbestellung“ kann uns so nicht untergehen. Wenn Sie den Support in Ihrem Kunden-Login deaktivieren wird er vom System gekündigt.
Das leere Paket stellen wir in Rechnung, da Sie es weiterhin benutzen können und immer wieder neue Domains bestellen könnten.

P.S.
Immerhin muss man Stratos Romanschreibern ein ziemlich sauberes Deutsch bescheinigen. DAS allerdings fällt einem erst auf, wenn man sich die Briefe anderer Hoster vor Augen führt.

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